Wie alles begann....

Eigentlich begann ja alles damit, dass ich mir beim Freispringtraining der jungen Pferde den Mittelhandknochen gebrochen habe, aber vielleicht doch ganz von vorne:
Nach dem Sommer-Concours in Möhlin machte mein rechtes Knie so viele Probleme wie noch nie, sodass ich mich entschloss, doch mal wieder einen Arzt aufzusuchen. Ich ging davon aus, dass ich mal kurz für eine Arthroskopie ein paar Tage ins Spital gehen würde und dann alles wieder in Ordnung wäre. Weit gefehlt. Schon nach den ersten Minuten in der Cross-Klinik wurde klar, dass es diesmal vermutlich nicht damit getan wäre.

Es gab am selben Tag ein Röntgenbild und eine Woche danach noch ein Emmeri – mein totaler Horror und ich war froh als es vorbei war. Mein nächster Termin beim Arzt ergab dann das voraussehbare Ergebnis: ich würde in den nächsten Jahren ein künstliches Kniegelenk bekommen. Mein Arzt vermittelte mir einen Termin beim
Knieprothesenspezialisten der Crossklinik, Herrn Doktor Czisy um mich einfach mal zu informieren. Mittlerweilen war meine Entzündung abgeklungen und alles für mich nicht mehr so dringend.

Nach dem Termin bei Doktor Czisy war dann allerdings klar, dass ich mein neues Gelenk innerhalb eines Jahres abholen müsste, da der Unterschenkelknochen bereits sehr stark und vor allem schräg abgenutzt war und ein längeres Warten dumm wäre.

Nach längerem Studieren, vielen Stunden, teilweise heulend vor dem PC, da das Reiten ebenfalls zu den Risikosportarten gehört, entschied ich mich, Piki über den Winter auf eine Weide zu geben und über diese Zeit mein Knie zu operieren um genügend Zeit für die Therapien zu haben. Soweit der Plan den man als Vorgeschichte einfach wissen muss.

Nachdem dann aber Ende August der Unfall mit dem Handknochen passierte, zügelte Piki sechs Wochen eher als geplant nach Frankreich und so hatte ich ab der zweiten Septemberwoche viel, viel zuviel Zeit.

Felix und ich hatten anfangs Sommer begonnen, eine neue Fernsehserie zu schauen – Sea Patrol. Das ist die Story eines Patrouillenbootes der Australischen Navy, welches unter anderem im Great Barriere Reef unterwegs ist. Was da vorkommt sind Attraktive Männer in Uniformen – wer mich kennt, weiss, dass mir das gefällt ..

Naja, und dann, also mit so viel freier Zeit und nichts tun können mit meiner linken Hand, war ich dann mal ab und zu im Internet unterwegs und googelte unter anderem „meinen“ Captain und fand ein YouTube Video, in welchem er mit seiner Frau zusammen ein Weihnachtslied singt.

Ich dachte: ok, wieder ein Schauspieler, der sich mit singen probiert.

Was ich dann aber hörte, machte Lust auf mehr: Ian Stenlake (so heisst der Schauspieler), hat eine tolle Stimme und beim weiteren Surfen stellte sich heraus, dass er nicht nur Schauspieler sondern auch Sänger und Musicaldarsteller ist.

Tja, und da hat es mir dann also den Ärmel reingenommen und von da an setzte ich mich praktisch jeden Abend zu Hause noch an meinen Laptop und googelte frisch drauflos.

Vorallem fing auch das Land an, mich magisch anzuziehen. Hatte doch vor einem Jahr meine Nichte Nicole einen Sprachaufenthalt in Byron Beach gemacht mit anschliessender Rundreise durch Australien.

Als ich dann auf der Homepage einer Theatergesellschaft in Brisbane davon las, dass Ian Stenlake im April 2013 bei einer grossen Musical-Produktion eine Hauptrolle hatte war für mich eines klar: Irgendwann hätte Ian Stenlake bestimmt mal wieder eine Rolle und dann würde ich für ein Musical nach Australien fliegen.

Als ich meiner Freundin Claudia im Geschäft davon erzählte meinte sie, dass dies doch etwas verrückt sei und wenn, müsste ich sicher sechs Wochen gehen, da der Flug ja sehr lange sei – liegt Australien doch am anderen Ende der Welt.

Sie hat ja recht: über 20 Stunden fliegen für ein Wochenende ist schon etwas verrückt. Dass nun alles etwas schneller als geplant, oder besser gesagt überhaupt Wirklichkeit wird hat einen guten Grund: Einige Wochen später las ich, dass die Theatergesellschaft – Harvest Rain in Brisbane – am 18. November ihr Programm fürs 2014 bekanntgeben würde.

Vorab liessen sie schon mal die Katze aus dem Sack und veröffentlichten die Sänger und Schauspieler, die mitwirken würden. Und darunter war: genau: Ian Stenlake.

Was eigentlich als Träumerei begann wurde dann irgendwie fast etwas zur Besessenheit, nämlich dass Australien für mich doch mehr werden würde als nur ein Traum.

Wäre es wirklich machbar, dass ich mich für 6 Wochen nach Down Under absetzen könnte? Wenn ja, müssten da aber noch einige Dinge geregelt werden: Erstens würde ich es durchziehen, solange Piki noch in Frankreich auf der Weide wäre, aber zeitlich so spät, dass mein Knie genügen Zeit hätte sich von der OP zu erholen.

 

Ausserdem würde ich nur dann fahren, wenn ich mit einem genügend grossen Budget unterwegs sein könnte. Also hiess es, über die Bücher zu gehen.

Hatten wir doch vor einigen Jahren von meiner Firma Aktienpakete geschenkt bekommen, die an Wert gewonnen hatten.

Und Zeitlich wäre das Ganze auch fixiert, nämlich so auf März und April im 2014. Und um es nochmal festzuhalten: ob das mit meinem Knie auch wirklich gehen würde, würde man erst nach der Operation sehen – ich hörte von vielen, die Komplikationen hatten und dann würde ich absagen müssen. Da ich vor hatte individual zu reisen wären von einer Annulation lediglich die Flüge sowie das erste Hotel und die Musicaltickets betroffen gewesen.
Klar war nun aber, dass ich mit der fixen Bucherei auf jeden Fall noch bis zum 18. November warten würde, denn wenn ich ganz, ganz viel Glück hätte, würde das Musical mit Ian Stenlake ja vielleicht tatsächlich im März oder April stattfinden.

Mitlerweilen wollte ich aber auch fliegen, wenn ich Ian Stenlake nicht life erleben könnte. Aber das Tüpfelchen auf dem i wäre es halt schon.


Wer mich kennt weis, dass ich – habe ich mir etwas in den Kopf gesetzt – dies auch um jeden Preis bekommen will. Also mochte ich nicht warten und schrieb Ian Stenlake auf seinem Fanprofil von Facebook eine PN (Private Nachricht) mit wenig Aussicht, dass er sich melden würde. Aber einfach so dasitzen und warten mochte ich nicht.
Drei Tage – besser gesagt, drei Nächte später passiert dann das unglaubliche: Ian Stenlake schrieb zurück. Die PN kam bei mir um 0:44 Uhr. Ich konnte es kaum glauben. Und das töllste: er schickte mir seine Agenda vom ersten Halbjahr und es ist einfach nur genial weils erstens genau in meine geplante Reisezeit fällt und weil er mehr als einen Event geplant hat, bei dem ich vielleicht dabei sein kann.


Könnt Ihr Euch vorstellen dass ich auf diese News hin kein Auge zugemacht habe? Nicht nur, dass sich Ian Stenlake bei mir gemeldet hat, nein, auch sein Terminplan deckt sich total mit meiner Reiseidee. Nur eines wird zum Problem: Wenn ich in Brisbane Guys and Dolls sehen will und anfangs Mai noch das Musical in Sydney reichen 6 Wochen einfach nicht, so wie ich es auch wende und drehe.


Es hiess also, nochmal zum Chef um azuklären, ob auch 8 Wochen drinliegen würden.
Das gestaltete sich dann als weniger einfach. Mein Chef erklärte mir dass es leider nicht ginge und ich sass daraufhin mit glasigen Augen den ganzen Tag im Geschäft am Computer und am Abend überlegte ich mit meinem Reiseplan vor Augen hin und her wie ich das drehen könnte, dass trotzdem beide Musicals drin liegen würde.


Ich merkte dann, wenn ich ganz ganz knapp vor der Premiere abfliegen würde, also morgens um 6 Uhr in Brisbane ankommen und am Abend gleich in die Premiere und ich von dem Datum an 6 Wochen rechne, dass ich exakt vor dem 1. Mai wieder im Geschäft sein müsste. Da mein Büro jeweils über den 1. Mai geschlossen hat und dieser im 2014 auf einen Donnerstag fällt, könnte ich also mindestens noch eine halbe Woche anhängen. Freudestrahlend ging ich am nächsten Tag zu meinem Chef und er bewilligte mir die zusätzlichen Tage, ich darf auch sogar erst am Dienstag zurückfliegen wenn das vom Flugplan her besser passt. Somit kann ich also 7 Wochen fliegen und noch am selben Nachmittag gehts ins Reisebüro zur Buchung. Meine Arbeitskollegin Claudia hat mir vor einigen Wochen das Reisebüro Globetrotter schmackhaft gemacht. Die Leute sind total nett und ich buche bei Sybille meine Flüge – juhui.


Nun hoffte ich einfach, dass das Musical in Sydney tatsächlich schon von anfangs Mai an läuft. Von dort gab es noch keine definitiven Daten aber das muss jetzt einfach passen.


Mein Rückflug ist am 6. Mai, morgens um 6 Uhr ab Sydney und Sybille erklärt mir noch, dass es ein sehr günstiges Angebot ist und ich deshalb nicht umbuchen kann. Ok, wird ja auch nicht nötig – so denke ich.
Und dann kommt die Hiobsbotschaft: Premiere des Musicals in Sydney ist: am 9. Mai !!! Mir wirds ganz grummelig im Magen. Was mache ich jetzt bloss? Ich stehe vor zwei Problemen: erstens wird mein Chef (oder besser der Chef meines Chefs) wohl kaum ja sagen, es sind dann nämlich fast 8 Wochen und zweitens kann ich warscheinlich den Flug nicht umbuchen.


Als erstes setze ich mich schon mal mit dem Reisebüro in Verbindung. Mein Chef ist nicht da und zuerst muss ja sowieso überhaupt geklärt werden ob das mit dem Flug klappen würde. Man macht mir keine grossen Hoffnungen, es würde jedenfalls mit Kosten verbunden sein. Das wäre mir bis zu einem gewissen Betrag noch egal wenn ich dafür das Musical sehen könnte. Und dann kommt die zweite Hürde. Mein direkter Vorgesetzer war nicht da an diesem Morgen und nach einem kurzen überlegen ob ich es einfach tun soll und dann von Sydney aus anrufen dass ich den Flug verpasst habe? Nein, das kann ich nicht, ich hätte keine Minute Freude an meinen Ferien wenn ich sie mit einer solchen Lüge beginnen würde. Also schaue ich ob der Chef meines Chefs da ist und ja, das ist er. Ich gehe zu ihm, erkläre meine Lage und merke da shon, dass er sehr gut aufgelegt ist. Er lächelt schon während meinen Ausführungen – muss ich jetzt ihm doch auch noch den Grund meiner Australienreise in etwa erläutern und als ich alles erklärt habe meint er, ja das verstehe er und wenn mein Chef einverstanden sei, wäre es für ihn auch ok. Wow, ich könnte schon wieder losheulen vor Glück und hoffe jetzt einfach ganz fest dass es mit dem Flug klappt. Ich bin mal so frei und organisiere mir schonmal mein Ticket fürs Musical – nicht dass es dann keinen freien Platz mehr hat im Flieger.
Am abend kommt dann die zweite tolle Nachricht: Umbuchen wäre möglich, ich müsste einfach 300 Franken zusätzlich bezahlen. Dieser Betrag finde ich recht günstig und fahre am nächsten Tag gleich los um die Umbuchung zu vollenden.
Jetzt habe ich am 9. Mai noch die Premiere vom Musical und am nächsten morgen fliegt mein Flieger um 6 Uhr – das bedeutet Freinacht in Sydney, aber das ist mir sowas von egal, ich kann ja nachher 20 Stunden im Flieger schlafen – ein Traum wird mehr als wahr und wenn das alles klappt was ich mir wünsche werden das 8 unvergessliche Wochen allone in Down Under.
Ach ja noch was: wir haben eine Fanpage auf Facebook und darüber habe ich Berit kennengelernt. Sie arbeitet beim Norddeutschen Rundfunk und ihr Vater betreibt eine Deutsche Musikwebseite. Sie hat mich gefragt ob ich evtl. gewillt wäre, mit Ian Stenlake ein Interwiew zu machen und bei einem seiner Konzerte zu fotografieren. Ui, das wäre zwar toll und ich hätte die Möglichkeit, ihn tatsächlich zu treffen, aber ob mein englisch dann wirklich ausreicht um ein Interwiew zu führen – ich weis nicht .


18. März: Die Anreise

Nun ist es also soweit – die Reise beginnt.

……ich bin dann mal weg…..

….mit diesen Worten verabschiede ich mich von einem grossen Teil meiner Kollegen per email. Nachdem es heute morgen im Geschäft noch ein gemütliches Ferien-abschiedsznüni gegeben hat und ich noch mit meinen Gspändli das Mittagessen in der Kantine genossen habe, sind Felix und ich zusammen an den Flughafen gefahren.

Nach einem Frappucino bei Starbucks (nachdem sich eine Herde Asiaten am einzigen Emirates-Frühschalter nicht einigen konnte, wer nun welches Gepäckstück eincheckt), haben wir im Foodcorner bei Mac Donalds noch ein kleines Nachtessen zu uns genommen. Nachdem ich doch noch ein paar Tränen vergossen habe, wurde zum ersten Mal mein Knie gepiepst – eine neue Erfahrung, aber den Patientenpass wollte niemand sehen. Man wird dann abgetastet und mit dem speziellen Handpiepser, den man auch aus den Filmen kennt, gescannt. Eindeutig kam dabei mein Metallknie zum Vorschein und gut wars.

Dass es eine U-bahn ans Gate E gibt wusste ich bis heute nicht. Sehr Eindrücklich wie man da in 3 Minuten eine beachtliche Strecke zurücklegt. Beim Rückflug möchte ich da gerne ein Foto schiessen, es hat nämlich ein Frontfenster, durch das man alles beobachten kann.

Vor Dem Abflug habe ich noch etwas Zeit und mache in einer kleinen Bar noch einen Cappucino-Halt. Super Idee, Kaffee zu trinken wenn ich nachher eigentlich schlafen wollte, aber was solls. Einzig eines macht mir sorgen: Ich kann meine Australischen Dollar nicht finden, und die einzige Hoffnung besteht darin, dass ich die Bauchtasche zusammen mit der weichen Umhängetasche kurz vor der Abreise noch in den grossen Koffer gepackt habe, aber um das zu wissen muss ich 24 Stunden warten, bis ich in Brisbane mein Gepäck wieder zurück habe – shit happens.

Der Flieger ist nicht ganz voll, aber in meiner 3er Reihe sitzt am Fenster bereits jemand. Sie stellt sich als Cornelia aus Lichtenstein vor, und sie fliegt von Dubai aus nach Manila um dort ein Hilfsprojekt bei welchem sie mitmacht, anzuschauen. Sie bittet mich, sie nicht zu wecken wenn das essen kommt, da sie eine Schlaftablette nimmt um durchzuschlafen (soll ich sie fragen, ob sie noch eine zweite hat?)

Ich verhindere das Wecken durch die nette Stewardess und Cornelia schläft tatsächlich durch. Ich aber auch, denn ich suche mir nach dem Essen eine leere 4er Reihe und schlafe ausgestreckt tolle drei Stunden durch.

Da wir fast gleichzeitig den Anschlussflug haben, verbringen wir die fast 4 Stunden gemeinsam in der Heinekenbar. Ich habe meine erste Ferienbekannschaft gemacht – leider noch auf schweizerdeutsch, aber immerhin ist sie schon mal aus dem Ausland.

Nachdem wir uns verabschiedet haben, habe ich noch einen längeren Weg zu meinem Gate vor mir. Auch diesmal nehme ich die kurze U-bahn – eine total moderne Sache, wie der ganze Flughafen in Dubai.

Dann kommt ein kleiner Schreck, da bei meinem Gate E19 nicht Brisbane als Destination steht sondern Auckland. Die Aufklärung kommt mit meinen ersten verzweifelten Englischversuchen und es wird klar, dass dieser Flieger noch ein weiteres Ziel hat, nachdem wir in Brisbane gelandet sind.

Leider hat es nicht mehr ganz sowenige Reisende in diesem Flieger und so habe ich keine Möglichkeit, mich hinzulegen. In meinem Dreierabteil sitzt meine erste Australische Bekanntschaft – allerdings spricht er nicht sehr viel und muss in den ganzen 14 Stunden nie auf die Toilette – wie er das gemacht hat weis ich nicht, aber getrunken hat er jedenfalls auch sehr viel.

Ich komme durch ihn bereits zu meinen ersten Berührungen mit dem Australischen Dialekt. Da ihn die Stewardess nicht versteht (gut, es war auch sehr laut im Flieger und er hat geflüstert) übersetze ich und er erhält seinen orangen jus und sein special edition breakfast anstatt eine Omelette.

Mir geht es dabei sehr gut. Ich mache zwar in den 14 Stunden kein Auge zu, aber die Spiele, Filme und die Lifecam vom Flugzeug sowie das leckere Essen unterhalten mich genügend gut, sodass ich kein einziges Mal zappelig oder kribbelig wurde.

Und dann endlich, nach fast einem halben Jahr Vorbereitung und 20 Stunden reine Flugzeit heule ich zum ersten Mal in diesen Ferien los (mein Umfeld, welches mir in diesem Moment sowas von Egal ist, hat sich wohl schon ein bischen über mich gewundert):